Termin: Samstag, 19.06.2021, 17.00 Uhr – 19.30 Uhr
Ort: Digital, Zoom-Konferenz
Anmeldung: über das Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, Link folgt hier in Kürze
Zwischen 1915 und 1918, verursacht durch den seit 1914 wütenden 1. Weltkrieg und dem Elend, das er im Land hinterließ, revoltierten Tausende von Menschen gegen die ungleiche Verteilung knapper Lebensmittel und die herrschenden Verhältnisse – häufig unter maßgeblicher Beteiligung von Frauen. Streikende Arbeiter*innen forderten nicht nur höhere Löhne und eine Verkürzung der Arbeitszeit, sondern schlossen sich auch den Protesten für den Frieden an. Strukturelle und systematische Widerstände führten dazu, dass Frauen zwar in großer Anzahl an der Hinleitung auf den Umsturz im November 1918 beteiligt waren, kaum jedoch an der folgenden Rätestruktur und der Formung der Weimarer Republik, obwohl in beiden Strukturen erstmals auch Frauen im Dt. Reich wählen und gewählt werden durften. Die Auflehnung in Bayern kulminierte im April 1919 mit der Ausrufung der bayrischen Räterepublik, die dem herrschende System für wenige Wochen eine revolutionäre, sozialistische Alternative gegenüberstellte.
Wie kam es dazu und was blieb von ihren Kämpfen und Forderungen erhalten? In zwei aufeinanderfolgenden Vorträgen mit anschließender Diskussion wollen wir dieser Frage nachgehen.
Simon Schaupp richtet seinen Focus auf die Entstehung und die Grundlagen der bayrischen Räterepublik. Er vertritt zur Entstehung der Revolution von 1918/19 die These eines Zusammenfließens verschiedener Emanzipationskämpfe. Die Revolution war zunächst erfolgreich, weil sie die Kämpfe von Arbeiter*innen, Frauen, Arbeitslosen, Jüd*innen u.a. zusammengebracht hat. Später konnte sie jedoch unter anderem deshalb niedergeschlagen werden, weil diese Kämpfe wieder auseinanderdividiert wurden. Dania Alasti behandelt in ihrem Vortrag die Versuche eines gemeinschaftlichen Aufbaus einer anderen Gesellschaftsordnung während der bayrischen Räterepublik. Sowohl ihr Scheitern in der Überwindung der hierarchischen Geschlechterverhältnisse, als auch ihre Niederlage durch die Niederschlagung der Räterepublik werden thematisiert. Dies soll nicht nur die weitestgehend unbekannte Geschichte der protestierenden Frauen sichtbar machen, sondern auch ein anderes historisches Verständnis ermöglichen, das Geschichte nicht in eine Linie oder einen Antagonismus zwingt, sondern Abspaltungen, Brüche, Reaktionen und Wiederholungen aufzeigt, und die Gründe dafür hinterfragt.
Beide Referent*innen setzen dabei auf eine Geschichte von unten, in der nicht nur die bekannten Persönlichkeiten eine Rolle spielen, sondern in der Frauen und Männer unterschiedlichster Milieus, auch aus ärmsten Verhältnissen, zu politisch Aktiven werden und die Revolution machen.
Dania Alasti ist Autorin und Doktorandin in Philosophie an der Freien Universität Berlin zum Thema »Gewalt und Frieden«. Ihr Buch zum Thema der Veranstaltung, „Frauen der Novemberrevolution. Kontinuitäten des Vergessens“, erschien 2018 im Unrast Verlag.
Simon Schaupp ist Soziologe an der Universität Basel. Er forscht zu aktuellen und historischen Fragen von Macht und Widerstand. Sein Buch zum Thema der Veranstaltung, „Der kurze Frühling der Räterepublik. Ein Tagebuch der bayrischen Revolution“, erschien 2017 im Unrast Verlag.